Hat die Prämienverbilligung einen Einfluss auf die Franchisenwahl?
Damit sich Menschen und Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Krankenkassenprämien leisten können, erhalten sie individuelle Prämienverbilligung. Manche von ihnen erhalten jedoch einen Betrag, der die Prämie übersteigt. Führt das dazu, dass sich besser versichern und eine tiefere Franchise wählen?
Da die Krankenkassenprämien in der Schweiz nicht einkommensabhängig sind, werden sie für Menschen und Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen individuell verbilligt. Die Prämienverbilligung dient also dazu, die finanzielle Belastung zu reduzieren. Wie bei allen bedarfsabhängigen Unterstützungsprogrammen stellt sich auch hier die Frage, auf welchem Weg das Geld zu den Empfängern gelangen soll. Einerseits kann man das Geld direkt auf das Konto der Empfänger überweisen, also eine «Barzahlung» machen. Dies hat den Vorteil, dass die Empfänger selbst entscheiden können, wofür und wann sie das Geld verwenden. Andererseits kann man das Geld dem Krankenversicherer überweisen, der dann eine reduzierte Prämienrechnung stellt. Diese «Sachleistung» hat den Vorteil, dass die Empfänger das Geld tatsächlich für das subventionierte Gut verwenden. Das kann allerdings den Nebeneffekt haben, dass die Empfänger ihre Kaufentscheidung ändern, insbesondere dann, wenn nicht verwendete Unterstützung verfällt. Im vorliegenden Fall könnte es also sein, dass eine bessere Versicherungsdeckung gewählt wird, weil die Prämienverbilligung als Sachleistung statt als Barzahlung erfolgt. Ob das so ist, haben wir für die Schweiz untersucht.
Föderalismus als Labor
In der Regel ist es schwierig, die Reaktion der Empfänger auf unterschiedliche Auszahlungsmechanismen zu analysieren, weil sich die Politik meistens für einen der beiden Mechanismen entscheidet. Aufgrund der föderalen Struktur existieren jedoch bis 2014 in der Schweiz beide Mechanismen parallel, d.h., gewisse Kantone zahlten die Prämienverbilligung als Sachleistung aus während andere sich für eine Barzahlung entschieden hatten. Dies erlaubt es uns, die Auswirkung des Auszahlungsmechanismus auf die Wahl der Franchise zu analysieren. Die Analyse stützt sich auf Daten aus der Schweizer Gesundheitsbefragung, die alle fünf Jahre durchgeführt wird. Die Daten bieten detaillierte Informationen zur Wahl der Krankenversicherung, zum Gesundheitszustand und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Zudem ermöglichten uns die vorhandenen Informationen, die Empfänger von individuellen Prämienverbilligungen zu identifizieren. Durch einen Vergleich der befragten Personen nach Auszahlungsmechanismus und Empfängerstatus konnten wir den kausalen Effekt auf die Franchisenwahl schätzen.
Tiefere Franchisen aufgrund von Sachleistungen
Die Ergebnisse zeigen, dass Sachleistungen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Empfänger von Prämienverbilligungen eine tiefe Franchise wählen. Der Effekt beträgt etwa vier Prozentpunkte, was einer relativen Zunahme von sieben Prozent entspricht. Dies deutet darauf hin, dass Sachleistungen einen Anreiz schaffen, die eigene Versicherungsdeckung zu verbessern. Interessanterweise reagieren aber nicht alle Menschen gleich stark auf diesen Anreiz. So ist der Effekt grösser für Frauen, höher gebildete Personen und für Unverheiratete. Die bessere Versicherungsdeckung, also die tiefere Franchise, scheint jedoch keine Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wie Arztbesuchen zu haben. Der Effekt des Auszahlungsmechanismus auf die Franchisenwahl ist zu gering und die Stichprobe zu klein, um einen messbaren Anstieg der Gesundheitsnutzung nachzuweisen. Zudem könnten einkommensschwache Haushalte trotz tieferer Franchise durch allgemeine finanzielle Einschränkungen weiterhin von Gesundheitsausgaben abgeschreckt werden.
Flexibilität oder Zweckbindung?
Unsere Forschung liefert wichtige Erkenntnisse für die Ausgestaltung von bedarfsorientierten Unterstützungsprogrammen. Während Barzahlungen den Empfängern mehr Freiheiten einräumen und eine grössere Flexibilität ermöglichen, stellen Sachleistungen sicher, dass das Geld für den vorgesehenen Zweck verwendet wird. Im vorliegenden Fall führt die Sachleistung dazu, dass die Empfänger ihre Versicherungsdeckung verbessern. Allerdings scheint der Gesamteffekt begrenzt zu sein, was sich an der unveränderten Nachfrage nach Gesundheitsleistungen zeigt. Entsprechend hatte der Entscheid, die Prämienverbilligung ab 2014 in allen Kantonen als Sachleistung auszurichten, wohl keinen oder nur einen sehr geringen Effekt auf die Gesundheitskosten.