Können personalisierte Kampagnen durch gezielte Information die Grippeimpfrate steigern?
Lassen sich versicherte Personen mittels Information zu bestimmten Leistungserbringern lenken? Ist der Effekt von Information auf die Nachfrage nachhaltig? Diese und weitere Fragen haben wir anhand der Grippeimpfung untersucht.
Das Gesundheitswesen, in dem sich Versicherte und Patienten täglich bewegen und zahlreiche Entscheidungen treffen müssen, ist hochkomplex. Informationen von Versicherern haben das Potenzial, Patienten bei ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen und zur besseren Versorgung beizutragen. Daher haben wir in zwei Feldexperimenten die Wirksamkeit verschiedener Informationskampagnen zur Förderung der Grippeimpfung in der Schweiz untersucht. Kern der Kampagne waren Briefe, die die CSS an ihre Kunden verschickte, um sie auf die Möglichkeit zur Impfung in Apotheken aufmerksam zu machen. Diese Briefe bildeten die Grundlage für Feldexperimente: Sie wurden an zufällig ausgewählte Kunden versandt, was es ermöglicht, die Impfnachfrage der angeschriebenen Versicherten mit der Nachfrage derjenigen zu vergleichen, die keinen Brief erhalten haben. So lassen sich Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Kampagne ziehen.
Personalisierte Information erhöht die Effektivität
Im ersten Feldexperiment untersuchen wir den Mehrwert von personalisierten Informationen. Dazu teilen wir die zufällig ausgewählten Versicherten in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe erhält einen Brief mit dem Hinweis, dass eine Grippeimpfung in Apotheken möglich ist. Der Brief an die zweite Gruppe enthält zusätzlich die konkrete Angabe einer Apotheke, in der die Impfung durchgeführt werden kann. Diese Apotheke bestimmen wir anhand der kürzesten Reisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Adresse des Versicherten zur Apotheke. Die dritte Gruppe erhält keinen Brief.
In der Gruppe ohne Brief liegt die Impfrate bei Ärzten und in Apotheken insgesamt bei 10,19 %. In der Gruppe, die einen Brief ohne Apothekenangabe erhält, steigt die Impfrate um 2,19 Prozentpunkte auf 12,38 %. Am höchsten ist die Impfrate aber in der Gruppe, die einen personalisierten Brief mit Apothekenangabe erhält: Sie liegt bei 13,52 %. Das ist 1.14 Prozentpunkte und damit 50 % mehr als ohne Personalisierung. Diese Ergebnisse zeigen also, dass Personalisierung die Effektivität von Informationskampagnen deutlich steigern kann.
Information wirkt aber nicht nachhaltig
Im zweiten Feldexperiment analysieren wir die Nachhaltigkeit der Informationskampagne. Informationen können den Vorteil haben, dass sie zu einer dauerhaften Verhaltensänderung führen, indem sie beispielsweise die Nachfrage nach Grippeimpfungen auch in den folgenden Jahren erhöhen. Zu diesem Zweck teilen wir die Versicherten in vier Gruppen ein und beobachten ihre Impfnachfrage über zwei Jahre. Die erste Gruppe erhält in beiden Jahren einen Brief, die zweite Gruppe nur im ersten Jahr, die dritte Gruppe nur im zweiten Jahr, und die vierte Gruppe erhält keinen Brief.
Besonders interessant ist die zweite Gruppe, da ihr Verhalten im zweiten Jahr – in dem sie keinen Brief erhält – Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit des Briefes aus dem Vorjahr erlaubt. Die Ergebnisse zeigen, dass ihre Impfnachfrage im zweiten Jahr ähnlich ist wie die der Gruppe, die nie einen Brief erhalten hat (die Impfquote beträgt in den beiden Gruppen 17.12 % bzw. 18.13%). Der einzig signifikante Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist, dass diejenigen Individuen, die im Vorjahr einen Brief erhalten haben, sich etwas häufiger in der Apotheke haben Impfen lassen. Auf die Wahl des Impfortes hatte die Informationskampagne somit einen leicht nachhaltigen Effekt. Weiter zeigt die Gruppe, die in beiden Jahren einen Brief erhält, im zweiten Jahr mit einer Impfrate von 20.96 % keine höhere Nachfrage als jene, die erstmals im zweiten Jahr informiert wird (Impfrate von 20.74 %). Der Brief war also in beiden Gruppen ähnlich effektiv und hat die Impfrate um 3.84 bzw. 3.62 Prozentpunkte gesteigert. Daraus folgt, dass personalisierte Informationskampagnen die Nachfrage nach Grippeimpfungen zwar erhöhen, man jedoch jedes Jahr erneut informieren muss, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Fazit
Unsere Ergebnisse zeigen, dass einfache Informationskampagnen das Verhalten der Versicherten positiv beeinflussen können. Die gezielte Angabe einer nahegelegenen Apotheke im Informationsschreiben erhöht die Wirksamkeit der Kampagne deutlich. Diese Form der Patientensteuerung bietet Krankenversicherern ein kosteneffizientes Instrument zur Förderung präventiver Gesundheitsmaßnahmen.
Zusätzliche Analysen belegen, dass sich die Versicherten mehrheitlich an die Empfehlungen halten und die vorgeschlagene Apotheke aufsuchen. Das bedeutet, sie lassen sich gezielt zu bestimmten Leistungserbringern lenken. Allerdings haben die Informationsschreiben auch unerwünschte Nebenwirkungen: Während die Impfnachfrage insgesamt steigt, wechselt ein Teil der Patienten von Ärzten zu Apotheken, wodurch keine zusätzliche Nachfrage nach Impfungen entsteht. Dies zeigt, dass die Auswahl der Zielgruppe entscheidend ist, wenn man die Nachfrage nach präventiven Maßnahmen nachhaltig steigern möchte.