Wie beeinflusst das Angebot die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen?
Für ein zielführendes Gesundheitssystem müssen wir die Auswirkungen verschiedener Anreize für Leistungserbringer und deren Organisationsstrukturen verstehen.
In der Schweiz, wie auch in vielen anderen Ländern, existieren bei den Gesundheitskosten beträchtliche regionale Unterschiede. So bezieht eine Person im Kanton Basel-Stadt im Schnitt jährlich 5'508 Franken in der Grundversicherung, während eine Person im Kanton Appenzell Innerrhoden durchschnittlich nur Kosten von 3'201 Franken pro Jahr aufweist (Quelle: OKP Statistik 2023). Diese Unterschiede in den regionalen Kosten können diverse Gründe haben. So unterscheiden sich die beiden Kantone einerseits bezüglich ihrer Bevölkerungsstruktur stark. Betrachtet man andererseits jedoch auch die kantonale Ärztedichte gemessen an Vollzeitäquivalenten, so kommen gemäss FMH im Kanton Basel-Stadt 10.7, im Kanton Appenzell Innerrhoden dagegen nur 1.5 Ärzte auf 1,000 Einwohner.
Selektion oder Steuerung?
Beinahe 80% der Schweizer Bevölkerung wählen ein Versicherungsmodell mit eingeschränktem Zugang zu Leistungserbringern. Diese Managed Care Modelle zielen darauf ab, durch gezielte Steuerung der Patienten die Gesundheitskosten zu senken. Die korrekte Messung dieser Ersparnisse ist jedoch methodisch anspruchsvoll.
Durch den Wechsel vom Standard- zu einem alternativen Versicherungsmodell können Versicherte in der Schweiz ihre Krankenversicherungsprämien senken. Da die Prämien letztlich die durchschnittlichen Gesundheitskosten der Personen im entsprechenden Modell abbilden, scheinen Managed Care Modelle also wie beabsichtigt kostensenkend zu wirken. Allerdings birgt eine oberflächliche Betrachtung der Daten das Risiko verzerrter Schlussfolgerungen.
So sind für chronische Kranke alternative Versicherungsformen aufgrund der erforderlichen Kontaktaufnahme mit einem Gatekeeper tendenziell weniger attraktiv, als für Personen, die seltener auf Gesundheitsleistungen angewiesen sind. Letztere sind entsprechend eher bereit, in ein solches Modell zu wechseln. Dies hat zur Folge, dass sich systematisch Personen mit unterschiedlichem Gesundheitszustand in die verschiedenen Versicherungsmodelle selektionieren. Diese Selbstselektion führt zu “mechanisch” tieferen Durchschnittskosten der Versicherten in Managed Care Modellen, ohne dass die Modelle selbst eine tatsächliche Kostenreduktion erzielen. Um die Wirkung von beispielsweise besserer Patientensteuerung bestimmen zu können, bräuchte es also eine «zufällige» Zuteilung in ein Versicherungsmodell mit einer entsprechenden Kontrollgruppe. Solche randomisierten Studien sind in der Grundversicherung aus mehreren Gründen jedoch nicht umsetzbar, womit die korrekte Messung auf «natürliche Experimente» und weitere Methoden der modernen Ökonometrie angewiesen ist.
Somit stellt sich die Frage, inwiefern nicht nur unterschiedliche gesundheitliche Bedürfnisse bei den Patienten, sondern auch das verfügbare Angebot an Gesundheitsleistungen die beobachtete Nachfrage bestimmen. Im Vergleich zu anderen Märkten spielen die Anbieter im Gesundheitsbereich eine besonders wichtige Rolle, da viele Leistungen erst verschrieben werden müssen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen welche Anreize die Behandlungsentscheidungen der Leistungserbringer wie beeinflussen. Doch auch die Koordination innerhalb und zwischen verschiedenen Gruppen von Leistungserbringern wirkt sich auf das lokal verfügbare Angebot an Gesundheitsleistungen aus und somit auf die Möglichkeit von Patienten gewisse Leistungen zu beziehen.
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