Wann funktioniert das Zusammenspiel zwischen Pharmaindustrie, Behörden, Ärzten, Apotheken und Patienten?
Die pharmazeutische Industrie, der Staat, Ärzte und Apotheker, aber auch die Patienten spielen im Medikamentenmarkt eine entscheidende Rolle. Wie wirkt sich das Zusammenspiel dieser verschiedenen Akteure aus?
8.4
Der Markt für Arzneimittel zeichnet sich durch strenge Regulierung, hohe Innovationsdynamik und eine starke Fokussierung auf den Nutzen sowie die Kosten von Medikamenten aus. Medikamente bieten einen erheblichen gesundheitlichen Nutzen, indem sie die Behandlung von Krankheiten ermöglichen, Symptome lindern und die Lebensqualität verbessern. Ihre Wirksamkeit ist ein zentraler Faktor für den therapeutischen Fortschritt. Entsprechend unterliegen sie strikten gesetzlichen Vorgaben, um Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität zu gewährleisten. Gleichzeitig spielen die Arzneimittelkosten eine wesentliche Rolle. Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe erfordern hohe Investitionen, was oft zu hohen Preisen für neue Medikamente führt. Arzneimittelpreise, Zugang und Werbung sind deshalb stark reguliert. Neben der strengen Regulierung besteht gleichzeitig ein intensiver Wettbewerb. Einerseits, wenn es um die Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien geht. Andererseits durch Generika, die nach Ablauf von Patenten für Originalpräparate auf den Markt kommen.
Jeder vierte Franken für Medikamente
Von den Gesamtausgaben in der Grundversicherung machen Medikamente etwa einen Viertel aus, wobei der exakte Anteil unbekannt ist. Das liegt daran, dass bei stationären Spitalbehandlungen zwar auch Medikamente genutzt werden, die Kosten dafür aber in der Statistik nicht separat ausgewiesen werden. Erfolgte der Bezug hingegen bei der Apotheke, beim Arzt oder im Spitalambulatorium, sind die Kosten dafür bekannt. Im Jahr 2022 lagen die Kosten für Medikamente somit bei mindestens 8.4 Mrd. Franken, wobei der grösste Teil mit 4.4 Mrd. Franken auf die Apotheken entfällt. Besonders im internationalen Vergleich ist, dass Medikamentenbezüge bei Ärzten einen relativ grossen Anteil ausmachen. Das liegt daran, dass einige Kantone die sogenannte «Selbstdispensation» erlauben, also die direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt in der Praxis. Zu diesem Thema haben wir mehrere Forschungsarbeiten verfasst, die in den untenstehenden Beiträgen genauer erläutert werden.
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Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist der Arzneimittelmarkt interessant, weil viele Entscheidungen von den Akteuren gemeinsam getroffen werden. So müssen Patienten im Falle von verschreibungspflichtigen Medikamenten immer einen Arzt aufsuchen, um Zugang zum Medikament zu erhalten. Welches Präparat sie erhalten, hängt vom Arzt, aber unter Umständen auch vom Apotheker ab. Da Ärzte und Apotheker bei der Medikamentenabgabe mitverdienen, haben sie womöglich nicht immer einen Anreiz, das günstigste Präparat abzugeben. Besonders wenn es mehrere Präparate mit dem gleichen Wirkstoff gibt, also Generika verfügbar sind, könnten finanzielle Interessen überwiegen. Das Verschreibungsverhalten der Ärzte und das Abgabeverhalten der Apotheker sowie die Preise haben wiederum einen Einfluss darauf, wie viel Umsatz und Gewinn die Arzneimittelproduzenten machen. Das Preissetzungsverhalten der Industrie, sofern sie denn einen gewissen Spielraum hat, hängt also vom Verhalten der anderen Akteure ab. Die Preise haben wiederum auch einen Einfluss darauf, ob ein Medikament überhaupt im Markt verfügbar ist. Für viele Krankheiten gibt es heute keine Medikamente, weil sich Forschung und Entwicklung schlichtweg nicht lohnt. Andererseits könnten sich Produzenten aus einem Markt zurückziehen, wenn nach Patentablauf die Preise zu tief fallen. Aus den verschiedenen Interessen der Akteure ergeben sich eine Vielzahl an Zielkonflikten bezüglich Innovation, Kosten, Zugang, usw. Wir tragen mit unserer Forschung dazu bei, diese Zielkonflikte besser zu verstehen und so der Politik informierte Entscheide zu ermöglichen.